Jake Gyllenhaal im Boxfilm „Southpaw“: Fäuste hoch, Hirn aus, Spot an

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Ja, ja, dieses blutige, tätowierte Muskelpaket ist Jake Gyllenhaal. Der Schauspieler hat fleißig für seine Rolle als Boxweltmeister trainiert. Doch was hat der Film von Regisseur Antoine Fuqua sonst noch zu bieten? Irgendwie sehr viel und doch sehr wenig.


Kennen Sie dieses High nach dem Verlassen des Kinosaals? Man ist noch völlig in der überlebensgroßen Welt des Films gefangen und vollgepumpt mit Emotionen. Ist dieser Rausch verflogen und beginnt das reizüberflutete Hirn wieder richtig zu arbeiten, setzt manchmal eine harte Ernüchterung ein. Und dieser Kino-Kater kann beim Boxdrama „Southpaw“ mit Jake Gyllenhaal ganz schön schmerzhaft ausfallen. Deshalb der wohl gemeinte Rat: Widerstehen Sie jeglichem Impuls zum Nachdenken und erinnern sich dafür noch lange Zeit später an „Southpaw“ als einen packenden Gefühlskampf über zwölfeinhalb Runden.

Denn das Boxdrama mit Gyllenhaal als legendärer Weltmeister im Halbschwergewicht, der nach einer persönlichen Tragödie wieder ganz unten anfangen muss, hat mächtige Schwächen. Billy Hope ist von seinem herzensguten Charakter, über seine Liebe zu einer guten Frau bis zu den spätestens durch zu viele Schläge gegen den Kopf eingeschränkten intellektuellen Fähigkeiten ein Abklatsch des ewigen Kino-Boxchamps Rocky Balboa. Nach der furiosen ersten halben Stunde ist die Handlung danach dann leider auch extrem überraschungsfrei. Und Forest Whitakers Trainer fehlen eigentlich nur noch Robe, spitze Ohren und eine eigenwillige Satzkonstruktion, um endgültig zum Yoda im Ring zu werden.

Coolness ohne Kälte

Die Chancen stehen aber nicht schlecht, dass Sie all diese Unzulänglichkeiten im Kinosaal noch gar nicht stören. Denn Regisseur Antoine Fuqua („Training Day“, „King Arthur“, „Olympus Has Fallen“) besitzt das in Hollywood rare Talent, Coolness ohne Kälte zu inszenieren. Während David Fincher endgültig in klinisch-eisige Sphären abgehoben zu sein scheint, hat sich Fuqua die wie ein unerbittlicher Bass in der Magengrube wummernde Coolness bewahrt und spielt diesen Trumpf in „Southpaw“ voll aus.

Dem Regisseur gelingt es binnen weniger Minuten, die bedingungslose Liebe zwischen Billy und Ehefrau Maureen (Rachel McAdams) nachfühlbar zu machen. Ein entscheidender Punkt, denn der bereits im Trailer gespoilerte Tod Maureens bildet die emotionale Basis für die folgenden 100 Minuten.

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„Southpaw“ setzt dort ein, wo andere Filme längst aufgehört haben und könnte auch gut Teil drei einer Reihe sein: Billy Hope ist ein vielfacher Boxweltmeister und steht unmittelbar vor dem wohlverdienten Ruhestand. Der Waisenjunge hat sich aus bitterer Armut mit der Hilfe von Jugendliebe Maureen ganz an die Spitze gekämpft. Dann wird Maureen bei einem Streit Billys mit einem anderen Boxer erschossen. Für den Weltmeister bricht eine Welt zusammen. Sein Vermögen löst sich in Wohlgefallen auf, Manager (Curtis Jackson alias 50 Cent) und Weggefährten suchen das Weite, vor allem aber verliert Billy das Sorgerecht für seine zehnjährige Tochter Leila (Oona Laurence). Der knallharte Boxtrainer Tick Wills (Forest Whitaker) ist Billys einzige Chance, sich Familie und Karriere zurückzuerobern.

Anfänge als Eminem-Biopic

„Southpaw“ ist das Kinodebüt von Drehbuchautor Kurt Sutter, Schöpfer der TV-Serie „Sons of Anarchy“. Es war ursprünglich als inoffizielle Fortsetzung von Eminems Kinobiografie „8 Mile“ (2002) gedacht. Der Rapstar ließ die Hauptrolle aber schließlich sausen und beschränkte sich auf das Produzieren des Soundtracks mit der Single „Phenomenal“. (Fun Fact: Im Abspann von Fuquas Film „The Equalizer“ ist Eminems „Guts Over Fear“ mit Sia zu hören – im dazugehörigen Video geht es um den Aufstieg eines jungen Boxers).

Die „Southpaw“-Filmmusik zählt zu den letzten vollendeten Werken des großen James Horner („Aliens“, „Titanic“), der im Juni bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Der Komponist hatte „Southpaw“ vorab gesehen und war derart begeistert, dass er Fuqua angesichts dessen knappen Budgets seine Arbeit gratis zur Verfügung stellte. Horner war laut dem Regisseur vor allem von der Vater-Tochter-Beziehung gerührt.

Tatsächlich ist „Southpaw“ in mehrfacher Hinsicht weniger Sport- denn Familiendrama. Ein ordentlich muskelbepackter Gyllenhaal, Filmtochter Oona Laurence und anfangs auch Rachel McAdams verleihen dem Film eine emotionale Wucht, die in Kombination mit den blutigen Kampfszenen und der Musik leicht einen veritablen Kinorausch auslöst. Wie gesagt: Nicht groß nachdenken, einfach nur genießen.

„Southpaw“ startet am 20. August in den deutschen Kinos.

Quelle: n-tv.de

Bilder: Tobis Film