Oscar-Preisträger Morgan Freeman gilt in Hollywood als eine Art natürliche Autoritätsperson. Dank seines gravitätischen Charismas wurde der in einem Schwarzen-Ghetto Chicagos aufgewachsene Schauspieler während seiner rund 40 Jahre währenden Kinokarriere immer wieder als besonnener, weiser Mann besetzt. Da war es nur der nächste logische Karriereschritt, als Freeman vor vier Jahren in der Komödie „Bruce Allmächtig“ Gott verkörperte. Freeman selbst ist mit dem Klischee des würdevollen, weitgehend asexuellen Mannes aber nicht ganz glücklich. Am Sonntag feiert der Schauspieler seinen 70. Geburtstag.
Freemans Durchbruch auf der Leinwand ließ lange auf sich warten. Nach vier Jahren bei der Luftwaffe machte sich der in Memphis geborene Sohn eines Friseurs und einer Lehrerin zunächst auf New Yorker Theaterbühnen einen Namen. Freeman spielte Shakespeare und Brecht, wurde für den Tony Award nominiert und mit einem Obie Award ausgezeichnet.
Das Leinwanddebüt des Mimen 1971 in dem Kinderfilm „Who Says I Can’t Ride a Rainbow“ sollte hingegen zunächst ohne großen Nachhall bleiben. In den folgenden anderthalb Jahrzehnten war Freeman sporadisch in Nebenrollen zu sehen, unter anderem in dem Gefängnisdrama „Brubaker“ (1980) mit Robert Redford.
Der künstlerische Durchbruch gelang ihm 1987 mit dem Drama „Glitzernder Asphalt“ („Street Smart“), das ihm die erste von vier Oscar-Nominierungen einbrachte. Pauline Kael vom Magazin „New Yorker“, die damals als einflussreichste Filmkritikerin der USA galt, wagte die folgenreiche Vermutung, Freeman könne der größte lebende Schauspieler des Landes sein. „Pauline habe ich vor allem zu verdanken, dass sie das Adjektiv vor meinem Namen entfernt hat. Sie sagte nicht „schwarzer Schauspieler“, erinnerte sich Freeman, der noch mit getrennten Sitzreihen im Bus aufgewachsen war, vor einigen Jahren in der „Zeit“. „Viele Rollen, die ich nach Paulines Aussage spielte, waren nicht für Schwarze geschrieben worden.“
Auf die Rolle des Chauffeurs in „Driving Miss Daisy“, für die er bei den Oscars als bester Hauptdarsteller nominiert war, traf dies noch nicht zu. Wohl aber auf Kevin Costners maurischen Gefährten in „Robin Hood – König der Diebe“ (1991) und den Cowboy in „Erbarmungslos“ von Clint Eastwood (1992) und vor allem den resignierten Häftling im Drama „Die Verurteilten“ („The Shawshank Redemption“, 1994), welcher in der Kurzgeschichte von Stephen King noch ein rothaariger Ire war. Das Gefängnisdrama mit Tim Robbins sicherte Freeman einige seiner treuesten Fans, in der Abstimmung zu den besten Filmen aller Zeiten unter den Nutzern der Filmdatenbank Imdb liegt der Film derzeit hinter „Der Pate“ auf dem zweiten Platz.
In den folgenden Jahren war Freeman gemäß seinem Image US-Präsident („Deep Impact“), Direktor der CIA („Der Anschlag“), Abolitionist („Amistad“) und Helfer eines Superhelden („Batman Begins“), aber auch ein Bankräuber („Hard Rain“) und überraschte als Mörder in Neil LaButes Satire „Nurse Betty“. 1998 gab Freeman im „Zeit“-Interview zu, dass ihn seine würdevolles Image langsam zu stören begann. „Offensichtlich werde ich da in eine Schublade gepackt, in die ich nicht rein will“, sagte er.
2005 konnte Freeman schließlich als Nebendarsteller in Clint Eastwoods Boxdrama „Million Dollar Baby“ seinen längst überfälligen ersten Oscar in Empfang nehmen.
Der Hobbypilot, Bluesclub-Besitzer und leidenschaftliche Segler lebt einen großen Teil des Jahres mit seiner zweiten Frau auf seinem Boot in der Karibik – möglichst weit weg von der „überdimensionalen Provinzstadt“, wie er 2001 im ddp-Gespräch Los Angeles nannte.
Freeman mag zwar einen ganzen Kontinent zwischen sich und Hollywood gebracht haben, seinen Beruf will er aber nie aufgeben. „Ich werde immer Schauspieler sein“, hatte er ddp gesagt. „Mal angenommen, die Wissenschaftler erfinden endlich mal eine Pille, die Unsterblichkeit verleiht. Die würde ich ohne zu zögern schlucken und dann in alle Ewigkeit Filme drehen. Was könnte es Schöneres geben?“