
(NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute)
Vor fünf Jahren kam dem Sonnensystem plötzlich ein Planet abhanden. Nicht nur Experten waren entsetzt, als Pluto am 24. August 2006 von der Vollversammlung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) zum Zwergplaneten degradiert wurde. Kinder unterzeichneten Petitionen, um den Namensvetter des Zeichentrickhunds zu retten – ohne Erfolg. Zum fünften Jahrestag hat sich die Aufregung gelegt.
„Es gibt nur noch vereinzelt Fundamentalisten, die für den Planetenstatus kämpfen“, sagt Wilfried Tost vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). „In der öffentlichen Wirkung war die Aberkennung ein sehr viel größeres Thema als in der Wissenschaft. Wie man das Ding nennt, ist letztlich egal“, meint auch der Vorsitzende des Rats Deutscher Sternwarten (RDS), Matthias Steinmetz. Der Rat vertritt Deutschland in der IAU. Der Potsdamer Astronom selbst hatte sich bei der Abstimmung in Prag der Stimme enthalten, als es um die erste wissenschaftliche Definition des Planetenbegriffs ging. „Mir haben alle Vorschläge nicht so wirklich gefallen“, sagt Steinmetz.
Der Status des am weitesten von der Sonne entfernten und mit Abstand kleinsten Planeten – Pluto misst weniger als ein Fünftel des Erddurchmessers – war bereits kurz nach seiner Entdeckung 1930 angezweifelt worden. Als 2003 hinter Pluto der etwas größere Himmelskörper Eris entdeckt wurde, verstärkte sich die Diskussion, wie ein Planet definiert werden sollte.
„Durch immer bessere Teleskope wurden Körper in derselben Größenordnung wie Pluto entdeckt“, berichtet Tost. „Wir haben uns gefragt, ob wir in 30 Jahren plötzlich 50 Planeten haben werden.“ Dementsprechend wurde in Prag auch der Vorschlag, den Club der Planeten für neue Mitglieder zu öffnen und deren Zahl von neun auf zunächst zwölf zu erhöhen, abgelehnt.
Stattdessen wurden Pluto, Eris und der zwischen Mars und Jupiter kreisende Asteroid Ceres zu Zwergplaneten erklärt. Sie sind laut der neuen Definition im Gegensatz zu den Planeten nicht stark genug gewesen, ihre Laufbahn um die Sonne von weiteren Himmelskörpern freizuräumen. Gemeinsame Merkmale von Planeten wie Zwergplaneten ist hingegen ein Orbit um die Sonne und genug Masse, um von der eigenen Anziehungskraft in eine nahezu runde Form gebracht zu werden.
Ein letztes Erbe seines Status als Planet ist derzeit auf dem Weg zu Pluto. Nur sieben Monate vor der Herabstufung hatte die Nasa im Januar 2006 die Sonde „New Horizons“ („Neue Horizonte“) losgeschickt, um den damals letzten noch nicht von Raumfahrzeugen besuchten Planeten zu untersuchen.
Der schnellste Raumflugkörper aller Zeiten soll den nach dem römischen Gott der Unterwelt benannten Zwergplaneten am 14. Juli 2015 passieren und nicht nur neue Erkenntnisse über ihn liefern. „Es geht darum: Was ist die Urmaterie, aus der unser Sonnensystem entstanden ist?“, sagt Steinmetz. „Ist die chemische Zusammensetzung typisch für unsere nähere Umgebung in der Milchstraße oder ist sie speziell?“
Im Gegensatz zur geologisch aktiven Erde ist die Atmosphäre des Zwergplaneten mit Temperaturen von etwa minus 233 Grad seit Jahrmilliarden unverändert, wie Tost erklärt. „Wenn wir etwas über die Frühphase des Sonnensystems wissen wollen, müssen wir zu Körpern wie Pluto.“
Auch abgesehen von den Ergebnissen der umgerechnet etwa 485 Millionen Euro teuren Nasa-Mission ist Pluto weiterhin für Überraschungen gut. Erst im Juli war die Entdeckung eines vierten Mondes verkündet worden.
Vielleicht hat Plutos Degradierung seine Sonderstellung gar befördert. Denn neben der Einordnung als Zwergplanet wurde er zum Urmodell einer neuen Klasse weit entfernter Himmelskörper, den sogenannten Plutoiden. „Wissenschaftlich gesehen ist es vielleicht sogar besser, wenn man der Prototyp einer neuen Klasse ist, als der kleinste Planet“, meint Steinmetz.