Berlin (dapd). Über Meryl Streeps 17 Oscar-Nominierungen kann John Williams nur müde lächeln. Bei der nächsten Oscar-Verleihung geht der Filmkomponist mit seiner 46. und 47. Nominierung ins Rennen, beide für Werke seines Weggefährten Steven Spielberg. Öfter als Williams, der am Mittwoch (8. Februar) seinen 80. Geburtstag feiert, wurde kein noch lebender Mensch für den wichtigsten Filmpreis vorgeschlagen. „Ich bekomme viel Anerkennung, die eigentlich John gebührt“, hat Spielberg über die 40-jährige Zusammenarbeit gesagt.
Von „Der weiße Hai“ über „E.T.“, „Schindlers Liste“ bis nun zu „Gefährten“ und „Die Abenteuer von Tim und Struppi“ hat der Komponist die Emotionen in Spielbergs Filmen maßgeblich mitbestimmt. Aber auch die unvergesslichen Melodien aus der „Krieg der Sterne“-Reihe, „Indiana Jones“, „Superman“ und den ersten drei „Harry Potter“-Filmen gehen auf das Konto des US-Amerikaners.
„Auch wenn man den Namen vielleicht nicht kennt, kennt man doch die Themen“, sagt der Musikwissenschaftler Peter Moormann von der Freien Universität Berlin über den „genialen Melodiker“ und den hohen Wiedererkennungswert von dessen Werken. Diese seien „fest im kollektiven Gedächtnis des Kinopublikums verankert“, meint der Autor des Buchs „Spielberg-Variationen. Die Filmmusik von John Williams“. Nicht umsonst sei das Hauptthema aus „Krieg der Sterne“ eines der meistgespielten Stücke in Konzertsälen im 20. Jahrhundert.
Herz statt Hirn
Der in New York geborene Sohn eines Jazz-Schlagzeugers hatte bereits einen Academy Award vorzuweisen, als er ab 1972 mit der Musik zu „Sugarland Express“ erstmals mit Spielberg zusammenarbeitete. „John ist der wichtigste Kollaborateur, den ich in meiner Karriere hatte“, sagte der Regisseur kürzlich. Der Grund: „Seine Musik umgeht sofort das Gehirn und berührt direkt dein Herz.“
Minimalismus wie bei der Abfolge von fünf Tönen, mit denen in „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ die Menschheit mit den Außerirdischen kommuniziert, bleibt in Williams Arbeit die Ausnahme. Bekannt ist der Komponist für große orchestrale Kompositionen im Stil der Spätromantik. Nach einer Phase poppiger Filmmusiken hat Williams Mitte der 70er Jahre mit „Der weiße Hai“ und „Krieg der Sterne“ maßgeblich zur Renaissance dieser Klangästhetik aus der Frühzeit des Tonfilms beigetragen, wie Moormann erklärt.
Wagner für Außerirdische
Bei „Krieg der Sterne“ von Spielberg-Freund George Lucas hatte sich Williams ganz bewusst gegen futuristische Klänge und für Operntraditionen aus dem 19. Jahrhundert wie bei Richard Wagner entschieden. Damit habe er den Zuschauern bei aller Science Fiction eine vertraute emotionale Basis bieten wollen, hat der Komponist erklärt. Von Wagner übernahm er auch das Prinzip des Leitmotivs, einer den Protagonisten wie Darth Vader zugeordneten Melodie, die je nach Gemütszustand der Figur variiert.
Neben seinen Filmmusiken, darunter drei für Oliver Stone („JFK“), hat Williams auch Dutzende von klassischen Stücken sowie Themen für vier Olympische Spiele komponiert. „Es macht seine Qualität aus, dass er für jeden Anlass den richtigen Ton findet“, sagt Moormann.
Für fünf Filme wurde Williams bislang mit Oscars geehrt: „Anatevka“ (1972), „Der weiße Hai“ (1976), „Krieg der Sterne“ (1978), „E.T.“ (1983) und zuletzt „Schindlers Liste“ (1994). Mit zwei von fünf Nominierungen für die Beste Filmmusik müsste er eigentlich bei der Oscar-Verleihung am 26. Februar beste Siegchancen haben. Allerdings gilt derzeit Ludovic Bource mit dem Stummfilm „The Artist“ als Favorit. Außerdem war Williams in den zehn Jahren, in denen er für mehrere Oscars nominiert war, nur in zweien auch siegreich.
ddp vom 02.02.12