Die beschwipste Braut und die Millionenfrage

Wer wird Millionär? Überraschungs-Special

Der Sekt fließt in Strömen, spitze Schreie schallen durch das Studio, während die Kandidatin dem Nervenzusammenbruch nahe ist. Eine gleichermaßen beschwipste wie geschockte Braut landet am Freitag auf dem heißen Stuhl von „Wer wird Millionär?“.


Das Erwachen am nächsten Morgen war für diese Braut in spe mit Sicherheit brutal – wurde aber von neu gewonnenem Reichtum versüßt. Christine Kantert wollte eigentlich nur ihren Junggesellinnen-Abschied feiern und fand sich plötzlich beim vierten „Wer wird Millionär? Überraschungs-Special“ wieder. Fast konnte man mit der Münchnerin Mitleid verspüren, die so unvermittelt ins grelle Rampenlicht gestoßen wurde – und das sichtlich nicht nüchtern und in einem Aufzug mit Dirndl und Krönchen, für den sie sich ordentlich schämte. „Ich bin total überfordert mit dieser Situation“, untertrieb Kantert.

Das Ganze wurde der Maschinenbauerin bei BMW von ihrer Schwester eingebrockt. Die lockte Kantert mit fünf Freundinnen erst zum angeblichen Junggesellinnen-Abschied zum RTL-Standort Köln, wo die Truppe von einem Reporter durch einen Trick in eine Stretch-Limousine verfrachtet wurde. Die transportierte die Sekt trinkenden Mädels zum „Wer wird Millionär?“-Studio, das die nichts Böses ahnende Kandidatin mit verbundenen Augen betrat. Den Gesichtsausdruck nach dem Abnehmen der Augenbinde hat es so nicht oft im Fernsehen gegeben. Die angehende Braut ließ sich perplex auf dem heißen Stuhl nieder. Die erste Frage Jauchs nach dem Risikojoker überforderte sie aber bereits und es drohte sichtbar Schnappatmung.

Rateshow mit Schampus-Service

Trotz glasiger Augen und immer wieder hochschwappenden Anfällen von Panik schlug sich Kantert aber ganz wacker. Sie verpulverte zwar schnell ihre Joker. Dafür glänzte die Kandidatin souverän bei der Frage für 32.000 Euro, bei welcher Rechenaufgabe ein höheres Ergebnis herauskommt: 1/4:1/4:1/4:1/4 oder 1/5+1/5+1/5+1/5+1/5 (bitte mal schnell selber lösen). Jede korrekte Antwort wurde von Kanterts Entourage mit spitzen Jubelschreien gefeiert. Die Schwester und Freundinnen waren am Rand der Manege platziert und wurden von RTL großzügig mit Schampus versorgt, was die Stimmung zusätzlich anheizte. Nur Kanterts Verlobter im Publikum fiel mit seiner rundum gefassten Art aus dem Rahmen, dafür aber auch mit seiner optischen Nähe zu Jauch auf.

Manchmal war die Kandidatin einfach nur perplex („Ich bin verwirrt: War das alles so geplant heute?“), dann hatte sie plötzlich wieder den Durchblick. „Wer ist denn mein Telefonjoker?“, fragte Kantert an einer Stelle ganz richtig. Die drei Experten wurden angesichts der Überraschungslage von RTL bereitgestellt. Zur Wahl standen der erste „Wer wird Millionär?“-Sieger Eckhard Freise, Moderatorin Nazan Eckes und Sportexperte Ulli Potofski. Letzterer konnte der Kandidatin aber leider nicht die 125.000-Euro-Frage beantworten, dass es in Irland keine wild lebenden Schlangen gibt. Für die Braut war die Sache damit klar: „Ich habe immer gesagt, wenn ich jemals hier sitze, bin ich froh, wenn ich die 16.000 schaffe. Deswegen nehme ich das Geld (64.000 Euro) und gehe shoppen.“

Wer wird Millionär? Überraschungs-Special

Der aber vielleicht wahre Star des Abends hatte vor dem ganzen Brimborium auf dem heißen Stuhl Platz genommen. Winzer Thomas Schweisthal war von Ehefrau und Sohn für das Überraschungs-Special vorgeschlagen worden, wusste aber vor dem Gang ins Studio von seinem Glück. Der laut Sohnemann „größte Klugscheißer auf der ganzen Welt“ kommentiert Folgen der Rateshow gern mal mit Sprüchen wie „Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!“. Seinem Ruf als verbissener Besserwisser wurde der 54-Jährige gehörig gerecht. Er bewies aber neben Kenntnis und Schläue vor allem auch eine ausgeprägte Risikobereitschaft, was Gattin und Sohn im Publikum wiederholt dem Kollaps nahe brachte.

Alles auf eine Karte

Der sonst so zuverlässige Freise musste als Telefonjoker bei der 125.000-Euro-Frage nach einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf passen. Trotz nicht gerade prallen 57 Prozent in der Publikumsbefragung für den Geomatiker zögerte Schweisthal keine Sekunde und lag damit goldrichtig. Noch extremer wurde es bei 500.000 Euro. Zur zentralen Rolle der sogenannten Z-Scheiben hatte der Kandidat lediglich einen blassen Schimmer, setzte aber alles auf die Muskelkater-Karte und obsiegte. Das Publikum tobte, der Sohn weinte und Jauch war irgendwie beeindruckt. „Das haben Sie schon mal gehört, wo denn?!“ „3sat, Phoenix“, antwortete Schweisthal.

Bei der Millionenfrage wurde selbst Jauch leicht hektisch. „Welches europäische Land hat den niedrigsten höchsten ‚Berg‘?“ Dänemark, Vatikanstadt, Niederlande und Malta standen zur Auswahl. Der notorisch stumme Schweisthal grummelte vor sich hin, nur um wie aus der Pistole geschossen plötzlich „Dänemark!“ zu schreien. Jauch gab zu bedenken, dass er bei einer falschen Antwort von der Million auf 500 Euro zurückfallen würde – „Als Loser des Jahres sind Sie jetzt schon eingeladen“, meinte der Moderator hinsichtlich der Jahresrückblicke 2016.

Der bis dato so stoische Überraschungs-Kandidat bekam es dann plötzlich doch mit der Angst zu tun, passte kurzentschlossen und „begnügte“ sich mit einer halben Million Euro. Ein Glück, denn Vatikanstadt wäre die korrekte Antwort gewesen. Jauch freute sich sichtlich für den bärbeißigen Barträger aus dem Bezirk Koblenz. „Hat Spaß gemacht“, meinte der Moderator anerkennend. Und dann kam die Braut.

Quelle: n-tv.de

Bilder: RTL/Stefan Gregorowius