Der Grönlandhai wird etwa 400 Jahre alt, Riesenschwämme kommen auf 10.000 Jahre und ein bestimmter Meeresbewohner ist theoretisch sogar unsterblich. Wie machen die Tiere das? Und können wir von ihnen lernen?
Wie alt würden Sie gerne werden? Laut einer Umfrage des Stanford Center on Longevity und des Magazins „Time“ möchten 77 Prozent der US-Amerikaner gern ihren 100. Geburtstag erleben. Was früher vermessen geklungen hätte, ist heute nicht mehr so weit hergeholt. Der älteste Mensch wurde 122 Jahre und die Deutschen schieben den Tod immer weiter hinaus. Im Vergleich zu manchen Tierarten ist unsere Lebenserwartung aber geradezu ein Witz. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass der Grönlandhai offenbar mindestens 400 Jahre alt wird und damit das bekannteste langlebigste Wirbeltier ist. Wie erreichen diese Methusalems ihr hohes Alter? Und können wir von ihnen lernen?
Eine äußerst erfolgreiche Strategie für ein langes Leben ist eine besondere Widerstandsfähigkeit gegen Krebs. Jeder vierte Deutsche stirbt in Folge dieser Zellmutationen. Das vielleicht älteste Säugetier hingegen ist kaum von Krebs betroffen. Dabei verfügt der Grönlandwal über Tausende Mal mehr Zellen als andere Säugetiere. Der älteste je gefangene und untersuchte Grönlandwal war Schätzungen zufolge 211 Jahre alt (aufgrund der Ungenauigkeiten bei der Messung kann das tatsächliche Alter zwischen 177 und 245 Jahren liegen).
Genetischer Vorsprung
Um dem Geheimnis des Grönlandwals auf die Spur zu kommen, haben Forscher der Universität von Liverpool das gesamte Genom des Tiers entschlüsselt und es auch gleich online verfügbar gemacht. Erste Vergleiche des Erbguts des Grönlandwals mit dem anderer Säugetiere wiesen auf genetische Unterschiede bei Zellteilung, dem Reparieren von DNA-Schäden, Krebs und Alterungsprozess hin. „Meiner Ansicht nach haben Arten unterschiedliche ‚Tricks‘ für eine längere Lebensdauer entwickelt“, sagte der am Projekt beteiligte Forscher João Pedro de Magalhães, „und indem wir die vom Grönlandwal verwendeten ‚Tricks‘ aufdecken, können wir die Erkenntnisse vielleicht im Kampf gegen altersbedingte Krankheiten beim Menschen einsetzen.“
Der nächste Schritt: Die womöglich lebensverlängernden Gene in Mäuse verpflanzen und sehen, ob sie dort ebenfalls ihre positive Wirkung entfalten. Das Genom-Projekt wurde übrigens von der Methuselah Foundation aus den USA unterstützt. Ihr ehrgeiziges Ziel: „Wir wollen eine Welt erschaffen, in der 90-Jährige so gesund sein können wie 50-Jährige – bis zum Jahr 2030.“
Rätsel Grönlandhai
Noch ein weitgehendes Rätsel ist hingegen, wie der Grönlandhai rund doppelt so alt werden kann wie der Grönlandwal. Eine internationale Forschergruppe um Julius Nielsen von der Universität Kopenhagen hatte bei Expeditionen gefangene Tiere untersucht. Das größte von ihnen war den Messungen zufolge etwa 392 Jahre alt, bei einer Messunsicherheit von 120 Jahren, wie die Wissenschaftler gerade in der Fachzeitschrift „Science“ schrieben.
„Dass sie so alt werden, ist doch überraschend. Nun wäre interessant zu ergründen, warum diese Haie so lange leben“, sagte der Paläontologe Jürgen Kriwet von der Universität Wien, der nicht an der Studie beteiligt war. Langlebigkeit werde oft mit Körpergröße in Verbindung gesetzt. „Aber Grönlandhaie sind nicht die größten Haie und auch nicht die einzigen, die in so kalten Gewässern leben.“ Demnach müsse es also einen anderen Grund für die erstaunliche Langlebigkeit geben.
Unterhalb der Evolutionsstufe der Wirbeltiere geht es sogar noch älter: Die von der Ostsee bis Nordamerika verbreitete Islandmuschel kann mehr als 500 Jahre leben. Ein geradezu sagenhaftes Alter erreicht der Riesenschwamm Anoxycalyx joubini. Der Tiefseebewohner soll über 10.000 Jahre alt werden. Nach Berechnungen von Forschern des Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung ist das Tier damit vermutlich das älteste Lebewesen der Welt.
Zurück in die Kindheit
Das ist aber noch gar nichts gegen Turritopsis dohrnii, die „unsterbliche Qualle“. Tatsächlich ist die wenige Millimeter große Hydrozoen-Art, die im Mittelmeer und vor Japan vorkommt, quasi der Benjamin Button der Ozeane. Das geschlechtsreife Tier kann sich bei widrigen Umweltbedingungen, Nahrungsknappheit oder Krankheit ins sexuell unreife Polypenstadium zurückentwickeln, verjüngt sich also quasi und vollbringt damit ein Kunststück, das kein anderes Tier beherrscht. Theoretisch ließe sich dieser Prozess endlos wiederholen, wodurch Turritopsis dohrnii biologisch unsterblich ist.
Möglich macht diese wundersame Verwandlung ein Prozess namens Transdifferentiation. Hierbei verwandeln sich normale Zellen in andere Zellarten – dies ist sonst nur Stammzellen möglich. Wissenschaftler versuchten herauszufinden, wie die Qualle den Stammzellen-Schritt überspringt und direkt ausgeformte Zellen in andere Zellen verwandeln kann.
Umprogrammieren gegen Parkinson
Forschern vom Gladstone Institute an der University of California gelang es vor einigen Jahren, Bindegewebszellen in Herzmuskelzellen umzuprogrammieren, indem drei Gene eingeschleust wurden. Ende April verkündete das Institut den nächsten Durchbruch: Nur mithilfe von Chemikalien wurden Hautzellen in Herz- und Gehirnzellen verwandelt. Das Ziel der Forscher: Medikamente, die etwa bei Parkinson oder nach einem Herzinfarkt das betroffene Organ anregen, die geschädigten Zellen selbst aus vorhandenem Gewebe heraus zu regenerieren. „Das Umprogrammieren der eigenen Zellen eines Patienten könnte der sicherste und effizienteste Weg sein, um einen sterbenden oder kranken Herzmuskel zu regenerieren“, sagte Deepak Srivastava vom Gladstone Institute.
Die Lebenserwartung Neugeborener hat sich binnen zehn Jahren bei Jungen um 25 Monate und bei Mädchen um 18 Monate erhöht. Heute geborene Babys werden nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts ihren 83. (Mädchen) beziehungsweise 78. (Jungen) Geburtstag erleben. Vielleicht helfen ihnen weitere Forschungsarbeiten zu Grönlandhai, Grönlandwal und der „unsterblichen Qualle“ dabei, noch älter zu werden und dabei vor allem gesünder zu bleiben.
Quelle: n-tv.de
Bilder: Pixabay
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