Die letzten unabhängigen Luxushäuser


„Capital.de“: LVMH und Kering dominieren den Markt der Luxusgüter. Einige Häuser aber haben sich Übernahmen bislang verweigert. Dies sind die großen unabhängigen Luxusmarken.


Das Geschäft mit dem Luxus ist lukrativ – aber auch teuer. Denn die Fertigung der Stücke ist aufwändig und nicht immer war die Kundschaft derart zahlungskräftig wie heute. Zwei französische Geschäftsmänner haben sich die Finanzkrisen von alteingesessenen Traditionshäusern oder aufstrebende Designer zunutze gemacht: Bernard Arnault und François Pinault.

Arnault schuf mit LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton SE den weltweiten Branchenführer. Ihm gehören viele Dutzend Marken an, darunter neben den namensgebenden Marken die Modehäuser Givenchy, Celine, Fendi, Loewe und Marc Jacobs. Arnault besitzt über seine Familien-Holding die Mehrheit an der Luxusmarke Christian Dior. Bulgari und der deutsche Kofferhersteller Rimowa zählen ebenfalls zu LVMH. 2019 landete Arnault mit der angekündigten Übernahme von Tiffany einen Paukenschlag.

Pinault hält mit Kering dagegen. Die beiden Topmarken des Konzerns verkaufen sich bestens: Gucci und Saint Laurent. Das Portfolio ergänzen Balenciaga, Alexander McQueen, Bottega Veneta und Brioni. Im Zweikampf dieser Giganten sind Modemarken begeherte Trophäen. Die britische Modeschöpferin Stella McCartney kaufte 2018 nach 17-jähriger Partnerschaft Kerings Anteile an ihrem Unternehmen zurück – nur um ein Jahr später einen Deal mit LVMH zu verkünden. Die für nachhaltige Mode bekannte Designerin blieb allerdings Mehrheitseignerin. Es geht auch eine Nummer kleiner. Dem US-Unternehmen PVH Corp. beispielsweise gehören bekannte günstigere Marken wie Tommy Hilfiger und Calvin Klein.

Einige Luxushäuser haben sich aber auch bei der Besitzstruktur die Exklusivität bewahrt. Das gelang meist dank einer Mischung aus einen enorm starken Markenkern, klugen strategischen Entscheidungen und einem guten Händchen bei Personalentscheidungen.

Dies sind die letzten großen unabhängigen Luxushäuser.

Chanel

Louis Vuitton gilt zwar gemeinhin als die wertvollste Luxusmarke. Diesen Status verdankt das Haus, das lange Zeit auf Reisegepäck spezialisiert war, aber in erster Linie seinen Handtaschen mit dem begehrten Monogram-Print. Chanel hingegen ist ein „echtes“ Modehaus, das von Haute Couture über Accessoires bis zu Parfüm und Make-up alle Bedürfnisse der Kundinnen abdeckt. Chanel-Fans pflegen zudem oft ein sehr viel emotionaleres Verhältnis zu dem Modehaus, vor allem dank der Strahlkraft von Firmengründerin Coco Chanel und Karl Lagerfeld, der dem Unternehmen ab 1983 zu neuer Größe verhalf. Insider schätzen den wahren Wert des Unternehmens deshalb gern mal auf rund 100 Milliarden Euro – ein Vielfaches der Summen, die sonst in den Medien kursieren.

Chanel ist im Besitz von Alain und Gérard Wertheimer, den Enkeln von Chanels Geschäftspartner Pierre Wertheimer. Sie halten wie nur noch eine Handvoll von Modehäusern an der kostspieligen Haute-Couture-Tradition mit eigenen Ateliers und einem Netz an spezialisierten Kunsthandwerk-Zulieferern fest. 2018 hatte Chanel erstmals in seiner über hundertjährigen Geschichte Geschäftszahlen vorgelegt. 2019 wurde ein Umsatz von 11,12 Milliarden US-Dollar vermeldet, das waren über zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Besitzer haben immer wieder betont, dass Chanel nicht zum Verkauf steht. Trotzdem halten sich hartnäckig Gerüchte, dass LVMH an einer Übernahme interessiert ist.

 

Hermès

Viele französische Luxushäuser haben ihren Ursprung in hochwertigen Alltagsgegenständen. Neben Louis Vuitton gehört dazu auch Hermès. Das Unternehmen wurde 1837 in Paris von dem deutschen Auswanderer und Sattler Thierry Hermès gegründet. Das auf Lederwaren, Seidentücher und Porzellan spezialisierte Luxushaus ist bis heute ein Familienunternehmen. An der Spitze steht aktuell der Nachfahre des Firmengründers, Axel Dumas. Er setzt beim Erfolgsrezept auf die Devise: Exklusivität hoch zwei.

Verknappung entfacht Begehrlichkeiten und niemand beherrscht das im Luxusgeschäft so exzellent wie Hermès. Das Unternehmen steht quasi an der Spitze einer Exklusivitäts-Pyramide. Louis Vuitton etwa bietet seine Produkte ausschließlich in eigenen Geschäften, aber auch online an. Chanel beschränkt den Verkauf von Taschen und Mode auf die Boutiquen. Hermès treibt das Spiel bei den begehrten Handtaschen Birkin oder Kelly auf den Gipfel. Interessenten müssen häufig erst einmal andere Produkte kaufen, um sich als „würdig“ zu erweisen. Dann folgt oft ein aufwändiger Verkaufsprozess. Am Ende bekommt die Kundin dann noch nicht mal unbedingt die gewünschte Kombination aus Farbe und Material – und das für Preise ab rund 10.000 Euro. Früher haben bekannte Designer wie Martin Margiela und Jean-Paul Gaultier bei Hermès gewirkt. Die aktuelle Kreativdirektorin Nadège Vanhee-Cybulski ist aber nur Insidern ein Begriff. Bei Hermès ist die Marke der Star.

 

Prada

Italienische Luxusmarken sind begehrt. 2003 übernahm Pinault die Mehrheit bei Gucci. 2018 ging Versace an die Michael Kors Holdings. Prada hingegen hat sich seine Unabhängigkeit bewahrt. Das Unternehmen wurde 1913 von Mario Prada in Mailand gegründet und war anfangs auf Lederwaren spezialisiert. 1978 übernahm Enkelin Miuccia Prada die Firmenleitung. Sie gibt bis heute als Chefdesignerin die Richtung vor – und arbeitet womöglich ihren Nachfolger ein. Im Februar 2020 gelang Prada ein Coup. Der einflussreiche belgische Designer Raf Simons (Calvin Klein, Dior, Jil Sander) wurde als Co-Kreativdirektor vorgestellt. Er beherrscht sowohl Haute Couture wie Streetwear. Simons wäre es zuzutrauen, das Modehaus nach der Ära Miuccia Prada erfolgreich zu führen.

 

Giorgio Armani

Giorgio Armani ist einer der wenigen Top-Designer, die bis heute die Geschicke der nach ihnen benannten Marke bestimmen. Der 1934 geborene Italiener gründete sein Unternehmen 1975. Er befreite Männer aus den starren Anzügen von einst und machte seine Marke zum Inbegriff lässiger Eleganz. Armani ist es zu verdanken, dass unter dem Sakko plötzlich T-Shirt oder Kaschmirpullover getragen werden durften. Seine Marke hat immer wieder Begehrlichkeiten geweckt.

Im Jahr 2000 klopften sowohl LVMH als auch Gucci an. „Natürlich fühlte ich mich geschmeichelt“, sagte Armani im Jahr darauf dem US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“. „Aber ich beschloss, meine Unabhängigkeit zu bewahren. Ich bin das letzte eigenständige Unternehmen der Branche.“ So viel Haltung zahlte sich aus. „Forbes“ führte Armani 2019 mit einem Vermögen von 8,5 Milliarden Dollar auf Platz vier der reichsten Italiener.

 

Rolex

Uhren nehmen auf dem Markt für Luxusgüter eine wichtige Rolle ein. Das zeigte sich zuletzt, als LVMH Anfang 2020 in Dubai erstmals eine eigene Uhrenmesse veranstaltete und neue Modelle seiner Marken wie Bulgari, TAG Heuer und Hublot präsentierte. Die Schweizer Traditionsmarke Breitling gehört seit 2018 zu hundert Prozent dem britischen Finanzinvestor CVC. Rolex hingegen ist es gelungen, unabhängig zu bleiben. Der 1905 in London gegründete Uhrenhersteller mit Sitz in Genf ist im Besitz der Familie des Firmengründers Hans Wilsdorf (1881–1960). Dessen Nachfolger André Heiniger übergab die Geschäfte 1992 an seinen Sohn Patrick Heiniger. Der entschied sich dafür, die wichtigsten Zulieferer zu übernehmen. Diese „radikale“ Entscheidung habe es Rolex ermöglicht, sich die Unabhängigkeit und unternehmerische Freiheit zu bewahren, heißt es in der offiziellen Firmenhistorie.

Quelle:
Capital.de“ (24. Februar 2020)

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