ddp: Sanftes Wiegen in der Hüfte, dann ein gewagter Ausfallschritt, gefolgt von einer flinken Pirouette – beim Tanz des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) über das politische Parkett kann dem Beobachter leicht schwindelig werden.
Kaum hatte SPD-Chef Franz Müntefering am Montag überraschend seinen Rückzug von der Parteispitze und möglicherweise auch aus dem künftigen Kabinett angekündigt, da schnürte der Bayer erneut die Tanzschuhe zur nächsten Strophe seines derzeitigen Lieblingsliedes “Kommt er oder bleibt er?” Von Beginn des Wahlkampfes an hatte Stoiber um seine politische Zukunft ein großes Geheimnis gemacht.
Auf die Frage, ob er den Wechsel vom bayerischen Platzhirschen zur Nummer zwei unter einer möglichen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wagen werde, kam monatelang aus der Staatskanzlei die nüchterne Replik: Das wird nach der Wahl entschieden. „Stoiber habe den Eindruck hinterlassen“ – „auch wenn er das nicht ausdrücklich gesagt hat“ – „Stoiber sendet unterschiedliche Signale“ lauteten in den Monaten vor der vorgezogenen Bundestagswahl die Schlagzeilen, mit denen die Medien das Stoibersche Zieren dokumentierten.
Obwohl Merkel den CSU-Chef eindringlich zum Wechsel nach Berlin gedrängt haben soll und CDU-Politiker endlich klare Verhältnisse für die Union und die Wähler forderten, schwieg Stoiber beharrlich. Weniger wortkarg gab er sich hingegen bei Sachthemen. Zahlreiche Äußerungen in den vergangenen Monaten zur Europäischen Union, den Terroranschlägen in London sowie dem iranischen Nuklearprogramm ließen Stoibers Ambitionen auf den prestigeträchtigen Posten des Außenministers erahnen. Der derzeitige Amtsinhaber Joschka Fischer (Grüne) war sich jedenfalls sicher: “Er will meinen Job.”
Als sich Ende August nach seinen umstritten Äußerungen über die “frustrierten” Ostdeutschen in einer Umfrage drei Viertel der Deutschen einen Verbleib Stoibers in München wünschten, hatte der schon den Fuß in der Hauptstadt-Tür. “Ich komme nach Berlin, wenn die Konstellationen stimmen”, sagte Stoiber Mitte September. Wenige Wochen später schien alles klar zu sein, als Merkel den 64-Jährigen als designierten Bundesminister für Wirtschaft und Technologie präsentierte.
Alles klar? Nicht mit Stoiber. Der stellte zunächst die Richtlinienkompetenz einer Kanzlerin Merkel in Frage. Als dann der Streit mit der designierten Bildungs- und Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) um den Zuschnitt von Stoibers Superministerium entbrannte, verkündete Stoiber, er habe es “nicht nötig, um jeden Preis” ins Kabinett zu wechseln.
Kaum war die gütliche Einigung mit Schavan geschafft, kam der Eklat um Müntefering, als dessen Generalsekretärskandidat Kajo Wasserhövel der SPD-Linken Andrea Nahles in einer Kampfabstimmung unterlag. Und erneut stellte Stoiber den Wechsel nach Berlin wegen einer “völlig veränderten Lage” in Frage. Ob der einst unantastbare Ministerpräsident unbeschadet nach München zurückkehren kann, ist fraglich.
Das schlechte Abschneiden der CSU bei der Wahl hat am Mythos Stoiber gekratzt. Außerdem kämpfen im Freistaat bereits Staatskanzleichef Erwin Huber und Innenminister Günther Beckstein (beide CSU) um Stoibers Stuhl. Die heimische Opposition hat Stoiber bereits abgeschrieben. “Es gibt für ihn keinen Weg zurück”, meint Bayerns SPD-Fraktionschef Franz Maget.
Quelle: Nachrichtenagentur ddp
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