Halbzeit der Awards-Season: Preiskampf in Hollywood

Golden Globes Facebook (2)

Am 10. Januar werden die Golden Globes verliehen. Sie gelten als die wichtigste Vorentscheidung im Rennen um die Oscars, deren Verleihung alljährlich der Höhepunkt der Awards-Season in Hollywood ist.


Die einen sprechen von einem Zirkus, für andere ist es die wahrhaft schönste Jahreszeit. Hollywood Film Awards, Critics‘ Choice, Screen Actors Guild: Zwischen November und Anfang März versetzt die sogenannte Awards-Season die amerikanische Filmbranche in einen Trophäenrausch. Eine Preisverleihung jagt die nächste, und die Stars haben ordentlich Zeit, ihre Dankesreden zu perfektionieren.

Denn wirklich entscheidend sind nur zwei Veranstaltungen: Krönender Abschluss der Awards-Season ist die Oscar-Gala am 28. Februar. Zuvor fiebert Hollywood der Verleihung der Golden Globes am 10. Januar entgegen – und schämt sich womöglich klammheimlich ein wenig dafür. Denn während die Oscars von über 7000 Filmschaffenden vergeben werden, entscheidet ein obskures Grüppchen namens Hollywood Foreign Press Association (HFPA) über die Globes-Preisträger.

Journalisten und Verkäufer

Hinter der hochtrabenden Bezeichnung «Vereinigung der Auslandspresse in Hollywood» verbergen sich weniger als 90 Menschen. Einige von ihnen sind respektable Filmjournalisten, die regelmässig für Zeitungen wie «Le Figaro», «La Repubblica» und «El País» schreiben. Laut Medienberichten entscheiden aber auch Immobilienmakler, Friseure und Autoverkäufer über die Golden Globes.

Zu den eher obskuren Gestalten zählt etwa Munawar Hosain. Auf seinem Profil beim Business-Netzwerk Linkedin tauchen nur Angaben zu seiner Tätigkeit bei der HFPA und keine journalistischen Arbeitgeber auf. Dabei soll der «Auslandskorrespondent» laut der Website «Vulture» derzeit gleich drei Länder (Deutschland, Grossbritannien und Dänemark) in der HFPA vertreten. Hosain hat früher als Verkäufer bei einer Elektronikmarktkette in Los Angeles gearbeitet, wie er der Zeitung «The Times» bestätigte. Bei einer Internetsuche taucht er vor allem in Verbindung mit Schnappschüssen von Prominenten bei Presseterminen auf, die von Fotoagenturen vertrieben werden.

globes1

Im Gegensatz zu früher veröffentlicht die HFPA die Namen ihrer Mitglieder nicht mehr auf ihrer Website. Nachzulesen ist hingegen, dass für die Aufnahme unter anderem lediglich vier Arbeitsproben sowie die Fürsprache zweier Mitglieder nötig sind. Das Ansehen der Golden Globes hat in der Vergangenheit durch zahlreiche Skandale gelitten. Die Wähler gerieten in Verdacht, mehr auf den engen Kontakt mit den Stars als auf die Qualität von deren Werken zu achten.

So gab es viel Häme, als die Globes 2010 den allseits geschmähten Film «The Tourist» als beste Komödie und gleich auch noch die Hauptdarsteller Angelina Jolie und Johnny Depp nominierten. Wie sich später herausstellte, hatte der Filmverleih sämtliche HFPA-Mitglieder nach Las Vegas zu einem Privatkonzert von Cher geflogen. Sie spielte die Hauptrolle im Film «Burlesque», der ebenfalls drei Globes-Nominierungen erhielt. Ein ähnlicher Bestechungsvorwurf überschattete 1982 den berüchtigten Newcomer-Preis für das Pop-Sternchen Pia Zadora.

Alle möglichen Vorbehalte gegen die Golden Globes aber werden von deren Funktion als Oscar-Barometer überstrahlt. Die Awards-Season ist lang und braucht einen ersten Höhepunkt, um den Spannungsbogen zu halten. So wurde denn auch am 10. Dezember nach der Verkündung der Golden-Globes-Nominierungen umgehend darüber spekuliert, was die Vorauswahl für die Oscars bedeutet. Das Liebesdrama «Carol» führt mit fünf Nominierungen das Feld an – ist Hauptdarstellerin Cate Blanchett damit ihre sechste Oscar-Nominierung sicher? Und gelingt der gleich zweifach nominierten Newcomerin Alicia Vikander ( «The Danish Girl» , «Ex Machina» ) womöglich bei den Oscars der endgültige Durchbruch?

Keine schlechte Bilanz

globes (2)

Bei aller Skepsis bezüglich einiger Mitglieder muss auch festgehalten werden: Den Ruf als Oscar-Orakel haben die Golden Globes zumindest in der Königskategorie durchaus zu Recht. In den vergangenen 20 Jahren hat die HFPA zwölfmal den späteren Oscar-Gewinner als besten Film gekürt und ihn immer zumindest nominiert. Nur einmal seit 1995 waren die beiden Konkurrenten völlig gegensätzlicher Meinung: 2006 gewann das Episodendrama «Crash» den Oscar für den besten Film. Bei den Globes war der Film von Paul Haggis noch nicht einmal für den Hauptpreis vorgeschlagen, stattdessen kürte die HFPA «Brokeback Mountain» .

Neun der zwölf korrekt vorhergesagten Oscar-Gewinner wurden bei den Globes übrigens in der Drama-Kategorie ausgezeichnet – was gleich auf zweifache Weise den Wert der HFPA-Preise für die Branche verdeutlicht. Die Globes unterscheiden nämlich in vielen Sparten zwischen Drama und Musical/Komödie. Neben der grösseren Gewinnchance freut das die Studios auch deshalb, weil die beim Publikum populären Komödien von den Oscars notorisch vernachlässigt werden. Letztere sind berüchtigt dafür, gegen den Massengeschmack zu wählen.

Das wurde 2009 besonders deutlich, als die Globes den Blockbuster «Avatar» krönten, die Oscars hingegen das Kriegsdrama «The Hurt Locker» triumphieren liessen. Im Gegensatz zu den Academy Awards ehren die Globes zudem die besten TV-Produktionen des zurückliegenden Jahres – ein weiterer Pluspunkt für viele Zuschauer der in 167 Ländern ausgestrahlten Show. Die ist auch dank dem ausgeschenkten Alkohol oft eine sehr viel flottere Veranstaltung als die staatstragenden Oscars.

Nach dem Debakel mit «The Tourist» bekommt die Hollywood Foreign Press Association mittlerweile sogar oft viel Lob für ihre Entscheidungen. «HFPA wird seriös», so beurteilte das Branchenmagazin «The Hollywood Reporter» die Nominierungen für die 73. Verleihung der Golden Globes – auch wegen des Umstands, dass die einstigen Lieblinge Johnny Depp ( «Black Mass» ) und Angelina Jolie («By the Sea») angesichts starker Konkurrenz diesmal leer ausgingen.

 

Quelle: „Neue Zürcher Zeitung“ (31. Dezember 2015) und NZZ.ch

Bilder: Flickr/Joe Shlabotnik/CC; Facebook/Golden Globes; Flickr/Beacon/CC