„Westworld“-Finale: Wimmernd gehen Götter unter

westworld-facebook-1„Game of Thrones“ plus „Terminator“ plus „Lost“: So in etwa lautet die Erfolgsformel der neuen Kultserie „Westworld“. Im Staffelfinale wird die Rebellion der Roboter Realität. Eine große Enttäuschung aber hat Schöpfer Christopher Nolan parat.


Seit Jahrzehnten morden und vergewaltigen Besucher im Western-Vergnügungspark „Westworld“ von Robert Ford (Anthony Hopkins) nach Herzenslust zu Wellness-Zwecken. Die geschundenen Roboter, die äußerlich nicht von Menschen zu unterscheiden sind, werden in gläsernen High-Tech-Laboren repariert, ihre traumatischen Erlebnisse von der Festplatte gelöscht. Doch Unschuld Dolores (Evan Rachel Wood) und Puffmutter Maeve (Thandie Newton) beginnen, das Spiel der vermeintlichen Götter zu durchschauen. Im Staffelfinale der neuen Hitserie beim „Game of Thrones“-Sender HBO entfacht der Funke der Selbsterkenntnis einen verheerenden Steppenbrand, bei dem eine riesige Frage aber unbeantwortet bleibt.

Mit jeder Menge Sex und Gewalt vor mittelalterlicher Fantasy-Kulisse hat HBO mit „Game of Thrones“ einen riesigen Hit gelandet. Zwei kurze Staffeln vor dem Ende der Kultserie steht mit „Westworld“ ein potenzieller Nachfolger bereit. Das Erfolgsrezept wechselt ins Genre Science Fiction und wird um endlich wirklich lebensechte Roboter und eine tiefgreifende Mythologie zwischen Gottkomplex und Kapitalismuskritik erweitert. Das auf Michael Crichtons („Jurassic Park“) gleichnamigen Film basierende Konzept von Jonathan Nolan, der mit Bruder Christopher die Drehbücher zu dessen Blockbustern „The Dark Knight“ und „Interstellar“ geschrieben hat, ging auf. Die erste Staffel von „Westworld“ hat die Einschaltquoten und Zugriffszahlen der ersten „Game of Thrones“Staffel übertroffen. Das ist achtbar, sagt aber noch nicht besonders viel aus über künftige Erfolge. Das Staffelfinale sollte zeigen: Kann „Westworld“ seine Versprechen einlösen und Lust auf eine Fortsetzung machen?

Spoiler, Spoiler, Spoiler

Seit dem Debüt sind Fans fleißig am Theoretisieren und haben dabei Treffsicherheit bewiesen. Etwa mit der frühen These, dass Fords rechte Hand Bernard (Jeffrey Wright) nicht nur selbst ein Roboter, sondern zudem das Ebenbild von Fords einstigem Kompagnon Arnold ist. Das Finale bestätigte die zweite große Fantheorie: Der anfangs so unschuldige Besucher William (Jimmi Simpson) ist die jüngere Version des grausamen Man in Black (Ed Harris), seine Liebesgeschichte mit Dolores spielt somit 35 Jahre in der Vergangenheit. Nicht nur das: Der alte William ist Mehrheitseigner von Delos, dem Konzern hinter „Westworld“.

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Mit der grandios von Wood verkörperten Dolores wurden die Zuschauer in die Welt der Serie eingeführt. Sie ist der älteste Roboter und bewies Arnold noch vor der Eröffnung des Parks, dass seine Wesen ein eigenes Bewusstsein entwickeln können. Das Symbol dieser quasi Menschwerdung der Maschine ist das Labyrinth, dessen Zentrum der Mann in Schwarz seit Jahrzehnten verzweifelt sucht. Dolores ist nicht nur der Schlüssel zu Arnolds Schicksal. Sie wird auch für Ford das Instrument eines überraschenden Rachefeldzugs, der das Finale in einem Blutbad enden lässt.

Währenddessen treibt die gerissene Maeve ihre Flucht aus dem Park voran. Die Roboterfrau hat mithilfe des Technikers Felix (Leonardo Nam) Macht über das „Westworld“-Betriebssystem erlangt. Sie „befreit“ zwei weitere Roboter, die nun in der Lage sind, Menschen zu töten. Am Ende sitzt Maeve bereits im Zug, der Besucher zurück in die reale Welt bringt. Doch in allerletzter Sekunde steigt sie aus, um ihr verlorenes Kind zu suchen.

Die letzte Grenze

Das anderthalbstündige Finale beantwortet wie versprochen viele Fragen, doch ausgerechnet die wohl größte von allen bleibt ein Geheimnis, was die Vorfreude auf Staffel zwei für einige Zuschauer sehr schmälern dürfte: Wo genau liegt „Westworld“ und wie sieht die Welt außerhalb des Vergnügungsparks aus? Bis auf wenige (unzuverlässige) Erinnerungen des Androiden Bernard hat die Serie die Parkgrenzen nicht verlassen. Viele Fans haben sich vom Finale daher die Auflösung erwartet, dass sich „Westworld“ auf einer Raumstation befindet oder dass die Erde weitgehend unbewohnbar ist und der Park eine Art Habitat darstellt. Hätte Maeve ihre Flucht vollendet, wäre der erste Blick auf die Welt jenseits der Parkgrenzen vermutlich Stoff genug gewesen, um die Pause bis zur zweiten Staffel mit Spekulationen zu füllen. So aber geht „Westworld“ fast so zu Ende, als hätten Nolan und Ehefrau Lisa Joy nicht unbedingt mit einer Fortsetzung gerechnet.

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Die aber ist angesichts des Quotenerfolgs ausgemachte Sache. Allerdings müssen sich die Zuschauer gedulden. Aufgrund der aufwändigen Produktion (die erste Staffel hat geschätzt 100 Millionen US-Dollar gekostet), werden die nächsten zehn Folgen erst 2018 zu sehen sein. Das ist passenderweise auch das Jahr, in dem sich „Game of Thrones“ verabschieden wird. Colt schwingende Androiden statt Feuer speienden Drachen? Techniker in Kittelschürzen mit Tablets anstelle von Ränke schmiedenden Königen? Ob „Westworld“ wirklich Westeros nachfolgen kann, muss sich noch beweisen.

Quelle: n-tv.de

Bilder: Facebook/HBO/John P. Johnson