Afroamerikanische Mathematikerinnen spielten bei der Eroberung des Weltraums eine entscheidende Rolle. Ein Film erinnert an diese vergessenen Heldinnen der Nasa und setzt unter US-Präsident Trump ein Zeichen für Forschung und gleiche Chancen.
Als Computer noch raumfüllende Ungetüme mit sieben Siegeln waren und Afroamerikaner als Untermenschen behandelt wurden, verhalfen schwarze Mathematikerinnen den USA beim Wettlauf ins All mit zum Sieg. Eine Heerschar dieser Frauen arbeitete während der 1950er- und 1960er-Jahre bei der Nasa als Rechner („computer“): Sie kalkulierten Flugbahnen oder werteten Messdaten aus. Viele von ihnen waren weit mehr als menschliche Rechenschieber. Die begabte Mathematikerin Katherine Johnson half maßgeblich beim Vorstoß in den Weltraum. Ihre Berechnungen brachten die ersten US-Amerikaner ins All, in die Erdumlaufbahn und auf den Mond. Dafür erhielt die heute 98-Jährige von Präsident Barack Obama im November 2015 die höchste zivile Ehrung der Vereinigten Staaten. Jetzt erzählt der dreimal Oscar-nominierte Kinofilm „Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen“ die unglaubliche Geschichte Johnsons und ihrer Kolleginnen.
Lasst das mal das Mädchen bestätigen, forderte Astronaut John Glenn mit Blick auf Johnson, nachdem der neue IBM-Computer der Nasa die Flugberechnungen für seine Erdumrundung 1962 durchgeführt hatte. Die Maschine war Glenn nicht geheuer. Johnson aber hatte bereits ein Jahr zuvor die Daten für den Flug des allerersten US-Amerikaners in den Weltraum, Alan Shepard, berechnet. 1969 folgte Apollo 11 mit Neil Armstrong der von Johnson kalkulierten Flugbahn zum Mond.
Angewandtes Genie
Dabei waren Johnsons Voraussetzungen für eine erfolgreiche naturwissenschaftliche Karriere, geschweige denn eine Führungsposition in der Raumfahrt, denkbar schlecht: schwarz, weiblich, Kind eines Farmers, 1918 im segregierten US-Südstaat West Virginia geboren. Aber Johnson hatte das Glück, dass ihre Eltern früh das besondere mathematische Talent ihrer Tochter erkannten und ihr eine weiterführende Bildung ermöglichten. Auf ihrer Schule für afroamerikanische Kinder wäre eigentlich nach der achten Klasse Schluss gewesen mit dem Lernen.
Wenn Johnson – in „Hidden Figures“ gespielt von Taraji P. Henson – an der Tafel ihrer unglaublichen Begabung freien Lauf lässt, erinnert der Film stark an andere Streifen über herausragende Wissenschaftler – zum Beispiel Mathematiker John Forbes Nash in „A Beautiful Mind“ und Physiker Stephen Hawking in „Die Entdeckung der Unendlichkeit“. Während diese Filme aber so sehr um ihre männlichen Genies mit leidenden Ehefrauen kreisten, dass die Wissenschaft eher zur Randnotiz wurde, zeigt „Hidden Figures“ eindrucksvoll, wozu angewandte Mathematik imstande ist: mittels korrekter Dezimalstelle einen Menschen vor dem Verglühen in der Atmosphäre zu bewahren und in Gefilde zu erheben, von denen Erdbewohner jahrtausendelang bloß träumen konnten. „Wir haben unsere eigenen Lehrbücher geschrieben, weil es keine über den Weltraum gab“, erinnerte sich Johnson später an diese Pionierarbeit bei der Nasa, wo sie bis zum Ruhestand 1986 arbeitete.
„Hidden Figures“ zeigt, wie Helden, Genies und Menschenrechtsaktivisten auch aussehen können. Johnson machte als Witwe mit drei kleinen Töchtern beim Nasa-Vorgänger Naca Karriere. Ihre Vorgesetzte Dorothy Vaughan wurde die erste schwarze Nasa-Abteilungsleiterin. Vaughan erkannte früh, dass sie und ihre Kolleginnen durch den Siegeszug der elektronischen Rechenmaschinen obsolet zu werden drohten. Also erlernte sie in ihrer Freizeit die Programmiersprache Fortran und half maßgeblich dabei, die Raumfahrtbehörde ins digitale Zeitalter zu führen.
Dritte Heldin im Bunde ist Mary Jackson: Die technisch begabte Rechnerin träumte von einer Karriere als Nasa-Ingenieurin. Dazu hätte sie jedoch Hochschulkurse besuchen müssen, die an einer rein weißen Schule abgehalten wurden. Vor Gericht erstritt sich Jackson den Zutritt zum Klassenzimmer, wurde 1958 zur ersten afroamerikanischen Luftfahrtingenieurin bei der Nasa und vermutlich der einzigen in den USA während der 1950er-Jahre. Sie blieb bis 1985 bei der Raumfahrtbehörde und setzte sich für die Förderung des weiblichen und afroamerikanischen Forschernachwuchses ein.
Ein Film zur rechten Zeit
Diesen Frauen gelangen vor über 50 Jahren Karrieren, um die sie heute noch viele Wissenschaftlerinnen beneiden – und das, obwohl sie zu ihrer Zeit in die hinteren Teil von Bussen verbannt wurden, andere Toiletten oder Kaffeebecher als ihre weißen Kollegen zu benutzen hatten und sogar ihre Ehemänner daran zweifelten, ob ihre beruflichen Ambitionen nicht bloßer Firlefanz waren. Sie taten im Kalten Krieg weit mehr als ihre patriotische Pflicht für eine Regierung, die Afroamerikaner erst ab 1965 ohne Einschränkungen mitwählen konnten.
„Hidden Figures“ erzählt nicht nur von historischen Figuren, sondern betont nebenbei auch die Bedeutung der sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) gerade für Mädchen. In den USA, wo viele Wissenschaftler, Frauen und nicht-weiße Bürger die Präsidentschaft Donald Trumps mit Sorge betrachten, feierte der Film unerwartete Triumphe. Auf Margot Lee Shetterlys gleichnamigem Sachbuch basierend, bringt er die Wissenschaft in einem passenden Moment auf die Leinwand: zu einer Zeit, in der Regierungseinrichtungen wie die Nasa und die US-Umweltschutzbehörde Epa alternative „Widerstands“-Konten auf Twitter bekommen, um potenzieller Zensur zu entgehen und ein Marsch von Wissenschaftlern auf Washington D.C. geplant ist.
„Hidden Figures“ läuft ab dem 2. Februar 2017 in den deutschen Kinos.
Quelle: n-tv.de
Bilder: Twentieth Century Fox
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.