„n-tv.de“: Begraben will gelernt sein. Im unterfränkischen Münnerstadt liegt der weltweit einzige Lehrfriedhof. Seit 1994 werden hier Bestatter aus- und fortgebildet.
2005 wurde die Einrichtung um das Bundesausbildungszentrum der Bestatter ergänzt. Rund 500 Lehrlinge erlernen jedes Jahr den Ausbildungsberuf Bestattungsfachkraft. Gäste kommen bis aus China oder Russland, um sich in Münnerstadt auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Matthias Liebler ist auf dem Lehrfriedhof der zweitdienstälteste Dozent. Er sorgt seit 1995 dafür, dass die Auszubildenden beim Ausheben von Gräbern alles richtig machen. Denn Fehler könnten im schlimmsten Fall für den Bestatter lebensgefährlich werden, erzählt der 55-Jährige im Gespräch mit n-tv.de.
n-tv.de: Herr Liebler, wozu braucht man einen Lehrfriedhof?
Matthias Liebler: Früher waren Fortbildungen recht einfach. Lehrgänge wurden irgendwo abgehalten, bei Metall- oder Gartenbaufirmen. Irgendwann hatte man beim Bestatterverband Bayern die Idee: Mensch, eigentlich wäre es gut, wenn wir einen Übungsfriedhof hätten. Man kann nicht an einem richtigen Friedhof üben, da gehen die Angehörigen auf die Barrikaden.
Was genau wird hier gelehrt?
Die Auszubildenden verbringen zwei Tage auf dem Lehrfriedhof. Es wird neben vielen anderen Dingen unter anderem der Umgang mit dem Grabbagger geübt: wie man den richtig aufstellt, sodass der nicht umfällt oder jemanden verletzen kann. Dann haben sie eine Einweisung in den Bagger. Sie dürfen auch mal selber baggern, wobei sie das eigentliche Baggern an einem Tag gar nicht lernen können. Das muss dann in den Betrieben fortgesetzt werden.
Werden Gräber denn nur noch mit Baggern ausgehoben und gar nicht mehr mit Schaufeln?
Ja, überwiegend – da, wo es die Platzverhältnisse zulassen. Die Auszubildenden bekommen aber auch beigebracht, wie man ein Grab mit der Hand aushebt. Es werden Nachbargräber mit Erdcontainern überbaut, in denen man die Erde zwischenlagert. Die müssen statisch standsicher sein. Außerdem muss das Grab verschalt werden. Es ist nicht damit getan, dass man einfach ein Loch gräbt. Es werden zahlreiche Unfallverhütungsvorschriften vermittelt.
Welche Fehler gab es denn früher durch ungelernte Kräfte?
Wenn man vor den Aushubarbeiten beispielsweise nicht die Standfestigkeit des Grabsteins überprüft hat. Beim Baggergrab ist das vielleicht nicht so dramatisch. Aber wenn beim Handgrab jemand im Grab steht und ein Grabstein fällt von oben hinein – da kann es durchaus mal Tote und Verletzte geben. Oder wenn das Grab nicht ordnungsgemäß eingeschalt wird, dann brechen die Seitenwände ein. Da droht dann der Erstickungstod. Das kommt zum Glück eher selten vor.
Als Laie denkt man, dass ein Bestatter nicht unbedingt selbst auf dem Friedhof das Grab aushebt.
Es gibt in dem Bestattungsgeschäft ein Nord-Süd-Gefälle. In Süddeutschland Bayern, Baden-Württemberg, Teilen der neuen Bundesländer – machen die Bestatter tatsächlich die Gräber mit. Je weiter man nach Norden und Westen kommt, haben die Bestatter damit gar nichts zu tun. Da macht das der Friedhof selber oder der Friedhofsgärtner, manchmal auch Baufirmen. Dafür haben die Hamburger andere Schwerpunkte, zum Beispiel Dekoration. Aber da haben wir dann eben den norddeutschen Standard übernommen.
Dann ist das Lehrprogramm quasi ein Best-of der bundesweiten Bestattertraditionen?
So ungefähr. Wir haben irgendwann im Jahr 2000 gesagt, wir müssen die Aus- und Fortbildung bundesweit vereinheitlichten. Nicht, dass jedes Bundesland seinen eigenen Standard hat und jeder macht, was er will. Das heißt, der Bestatter aus Flensburg hat genau dieselben Unterrichtsinhalte wie der aus Garmisch-Partenkirchen. Nach meinem Kenntnisstand gibt es in anderen europäischen Ländern keine richtige Ausbildung, so wie wir sie haben.
Was lernen die Auszubildenden noch in Münnerstadt?
Wir haben in dem Bundesausbildungszentrum eine Kapelle. Da sollen die Auszubildenden ein Gespür dafür bekommen, wie man stilvoll und schön aufbahren kann. In der Werkstatt lernen sie das Anbringen von Griffen und Innenausstattung oder das Verlöten von Zinksärgen beim Auslandstransport. Sie müssen Materialien kennenlernen: Welche verschiedene Holzarten gibt es bei den Särgen, was ist umweltfreundlich? Die Verstorbenenversorgung ist ein weiterer großer Bereich, also der richtige hygienische Umgang.
Was gehört dazu?
Dass man den Verstorbenen nicht nur wäscht, sondern auch desinfiziert. Es gibt ja Infektionsrisiken durch ansteckende Krankheiten. Da muss man wissen: Wie sind die Übertragungswege, die Inkubationszeiten? Jeweils eine Woche sind für das Beratungsgespräch und Trauerpsychologie reserviert. Die Angehörigen sind ja immer in einer Ausnahmesituation.
Wie hat sich der Bestatterberuf im Vergleich zu Ihrer Anfangszeit verändert?
Im Bereich Grabtechnik hat sich relativ wenig verändert. Sehr viel getan hat sich bei der technischen Entwicklung. Vor 35 Jahren hatte kaum ein Bestatter eine EDV oder einen PC. Ganz neu ist auch der digitale Nachlass.
Also müsste sich ein Bestatter damit auskennen, was mit dem Facebook-Konto eines Verstorbenen passiert?
Zum Beispiel, auch Ebay, PayPal und so weiter. Da bieten Bestatter ihre Hilfe an, wie man die Accounts stilllegen oder wie bei Facebook in einen Gedenkzustand überführen kann.
Wer wird heute Bestatter?
Wir stellen fest: Es ist kein reiner Männerberuf mehr, das hat sich klar gewandelt. Die Verteilung bewegt sich immer so in etwa um 50 Prozent Männer, 50 Prozent Frauen. Früher waren es ganz überwiegend die Bestatterkinder, die eine Bestatterfortbildung gemacht haben. Seit dem Ausbildungsberuf ist das deutlich weniger geworden. Jetzt sind es deutlich mehr Quereinsteiger.
Zum Schluss zurück zu den Friedhöfen: Wenn man im Urlaub in anderen Ländern welche besichtigt, sind die ja oft recht karg. Was zeichnet für Sie deutsche Friedhöfe aus?
Für mich sind Friedhöfe letztendlich auch ein Ort der Ruhe und der Entspannung. Man kann durchaus mal über den Friedhof gehen und sich da hinsetzen, ein bisschen abschalten. Ein Friedhof hat auch einen gewissen Erholungsfaktor.
Quelle: n-tv.de (16. November 2018)
Bilder:
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