Besserwisser mit Hang zur Bissigkeit: Günther Jauch wird 60. Ungelogen

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Bild: RTL / Stefan Gregorowius

Ob das ständige Mitraten Günther Jauch so jung hält? Kaum zu glauben, dass der „Wer wird Millionär?“-Moderator 60 Jahre alt wird. Die Show ist fast volljährig. Doch das Loslassen fällt Jauch schwer – trotz dieser „Huhu“- statt „Huh, Huh“-Kandidaten.


Besserwisser ist auch dank Günther Jauch nicht nur ein Schimpfwort. Seit nunmehr fast 17 Jahren hält der Moderator mit dem Dauerbrenner „Wer wird Millionär?“ die Nation geistig mobil. Woche für Woche wird vor dem Fernseher mitgeraten, über Kandidaten gelästert und eben lustvoll besser gewusst. Dabei scheint der schlaksige Schwiegersohn-Typ irgendwo zwischen Pennäler und Studienrat die perfekte Besetzung für den Quizmaster der Nation zu sein. Bodenständig, sympathisch, aber doch immer auch mit der gewissen Siez-Distanz und gern mal scharfer Zunge ist Jauch zum beliebtesten Moderator Deutschlands geworden. Am Mittwoch feiert der Junggebliebene tatsächlich bereits den 60. Geburtstag. Aber wie sehr kann er den Erfolg genießen?

„Millionär gesucht! – Die SKL Show“, „Der große IQ-Test“, „Grips-Show“, „6! Setzen – Das Wissensduell Groß gegen Klein“, „Die Weisheit der Vielen“ und dann natürlich seit über 1250 Folgen „Wer wird Millionär?“: Jauch ist im deutschen Fernsehen unbestreitbar die graue Zellen-Eminenz. 13 Normalbürger hat er seit 3. September 1999 zu Millionären gemacht. Aus seinem eigenen Wohlstand macht der Moderator, der mit Ehefrau und vier Töchtern in luxuriöser Seelage in Potsdam lebt, kein Thema.

Kein Prominenter zum Knuddeln

Stattdessen beherrscht Jauch das Kunststück, gleichzeitig bodenständig und unnahbar zu erscheinen. Vor der Kamera gibt er sich gern jovial, erzählt bei passender Gelegenheit vom ständigen Ärger mit der Heizung, dass er Katzen Hunden vorzieht oder wie ihn die Deutsche Rentenversicherung beharrlich ignoriert und den allerersten Rentenbescheid seines Lebens verweigert. Bei all dem käme aber kaum ein Fan auf die Idee, den „Günther“ mal spontan auf ein Bier einzuladen – ganz anders als bei Jauchs gutem Freund und Weggefährten Thomas Gottschalk.

Vielleicht liegt es auch an Jauchs Herkunft. Er entstammt einem hanseatischen Adelsgeschlecht, dessen Wurzeln bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen. Sein Vater Ernst-Alfred Jauch war 20 Jahre lang Leiter des Westberliner Landesbüros der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) und wurde mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Da wäre Junior, der den Vornamen seines 1942 gestorbenen Onkels trägt, fast das schwarze Schaf der Familie geworden. Nach der nicht so berauschenden Abi-Note 3,1 schmiss er erst ein Jurastudium und dann auch noch das Politikstudium in München, als die Karriere beim Bayerischen Rundfunk Ende der 70er Jahre ins Laufen kam.

Wer wird Millionär? Überraschungs-Special
Bild: RTL / Stefan Gregorowius

Nach einer Radioshow mit Gottschalk landete das Nachwuchstalent schnell beim ZDF, zunächst im Unterhaltungsbereich. 1988 übergab der legendäre Harry Valérien seinen Posten beim „Aktuellen Sportstudio“ an Jauch. Der erinnerte sich 2012 nach Valériens Tod: „Einer der unglaublichsten Momente meines Lebens war, dass ich vor knapp einem Vierteljahrhundert sein Nachfolger im ‚Aktuellen Sportstudio‘ werden durfte. Da hat er mir gratuliert und gesagt: ‚Machens des – des wird scho!'“

Dünnhäutig und verbissen

Diese gewisse Grundlässigkeit allerdings geht Jauch ab. „Ich neige dazu, mich über jede Kleinigkeit aufzuregen, mich in einen Knochen zu verbeißen und den nicht mehr loszulassen. Ich nehme viele Dinge persönlich, obwohl ich das gar nicht müsste“, sagte er 2009 der Wochenzeitung „Die Zeit“. Jauch pflegt bei „Wer wird Millionär?“ zudem durchaus ein Schubladendenken, vorzugsweise bei weniger ordentlich gekleideten und rasierten Herren (auch wenn die ihm durchaus mal ein Schnippchen schlagen, wie etwa Mützenträger James Mean).

Was Jauch aber so richtig auf die Palme bringt, ist mangelnder Ehrgeiz. Während Kandidaten früher die Jagd auf die Million noch richtig ernst genommen haben, häufen sich heutzutage die Gäste, für die der Auftritt die prestigeträchtigere Alternative zum Badezimmer-Selfie zu sein scheint. 16.000 Euro, da enden nicht selten die Ambitionen dieser oft jüngeren Kandidaten, gern großstädtisch-medial ausgerichtet. Dann kann man Jauch beim inneren Abscheu-Erschaudern zugucken. „Huhu“ statt „Huh, Huh“ und dann womöglich noch Schwimmen mit Hausschweinen – manchmal ist das Leid des Preußen und ehemaligen ARD-Polittalkers mit Händen greifbar. Seine Nüchternheit tut besonders in emotional aufgeladenen Situationen gut – etwa, wenn eine beschwipste Braut mit Dirndl und Krönchen ins Studio taumelt oder ein Ex-Kandidat in spe nach dem Koma doch noch um die Million spielen darf.

Kein Abschied mit Ballast

Die 2 - Gottschalk & Jauch gegen ALLE
Bild: RTL / Stefan Gregorowius

Trotz allem scheint Jauch zum 60. Geburtstag nicht ans Kürzertreten oder gar den Ruhestand zu denken. „Ich sage ihm immer: Mensch, du bist erfolgreich, gesund und hast ’ne Menge Kohle verdient. Jetzt entspann dich mal! Aber irgendeinen Mühlstein hängt er sich immer um den Hals“,  klagte Gottschalk schon vor sieben Jahren der „Zeit“. Allein ist der Freund damit nicht. „Meine Frau sagt immer: Finde den richtigen Moment, um Abschied zu nehmen. Aber was ist der richtige Moment?“, sagte Jauch damals zu dem Thema. Gern würde er mal ein halbes oder ganzes Jahr aussteigen, um endlich mal was von der Welt zu sehen.

Diese Pläne scheinen aktuell aber vergessen. Selbst die Sommerpause vor der 38. Staffel von „Wer wird Millionär?“ ist nicht Jauch-frei. Stattdessen moderiert er fünf Ausgaben der neuen RTL-Show „500 – Die Quiz-Arena“, wirkt in den jeweils zweistündigen Ratemarathons allerdings nicht immer in Bestform. Vielleicht plagt ihn aber auch einfach etwas Heimweh nach der Stammsendung. Unser Wunsch für die 38. Staffel: Kann der Moderator nicht mal selbst beim Prominenten-Special Kandidat sein? Das wäre ein schönes Geschenk für Besserwisser landauf, landab.

Quelle: n-tv.de